26.2.2025

Nachlassangelegenheiten

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Die Abgeltungsteuer im erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Umfeld

Offene Fragestellungen im Zusammenspiel der Regelungen (Aufsatz von Dr. Georg Tolksdorf, RA, und Ralph Seidler, RA, und Daniel Simon, RA/StB/FASt*)

Zum Jahresanfang 2009 treten zwei Gesetze in Kraft, die eine erhebliche Auswirkung auf die Weitergabe von Vermögen haben werden und das Anlageverhalten vermögender Mandanten verändern werden. Dabei handelt es sich zum einen um das neue Gesetz über die Abgeltungsteuer, zum anderen um die Neufassung des Erbschaftsteuergesetzes. Hinzu kommen in Kürze noch einzelne Neuregelungen des Erbrechts, z.B. des Pflichtteilsrechts. Es ergeben sich verschiedene offene Fragestellungen, die die Verfasser anhand von praktischen Beispielen darstellen und die Berater, seien es Steuer-, Rechtsoder Finanzberater, zu besonderer Sorgfalt veranlassen sollten.

1. Die Problematik

Mit dem UntStRefG 2008 wurde für in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Anleger eine Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge eingeführt (hierzu s. ausführlich Liem/Bieling, ErbStB 2008, 21 [in diesem Heft]). Unter die Abgeltungsteuer fallen neben Zinsen, Dividenden und Stillhalterprämien auch die Gewinne aus der Veräußerung oder Einlösung von Kapitalforderungen, Aktien sowie von Zertifikaten und Termingeschäften – unabhängig von der Haltedauer. Der Steuersatz beläuft sich pauschal auf 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

Beachten Sie:

  • Für den Kauf von Wertpapieren vor dem 1.1.2009 bleibt es regelmäßig bei der alten Regelung hinsichtlich der Besteuerung von Spekulationsgewinnen bei einer Haltedauer von weniger als einem Jahr.
  • Für Wertpapiere, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden, gelten die Regelungen des neuen Gesetzes, wonach grundsätzlich 25 % Abgeltungsteuer auf den jeweils eingetretenen Kursgewinn erhoben werden.
    Ausnahme bei unentgeltlicher Übertragung: Wenn es sich allerdings um eine unentgeltliche Übertragung – also eine Schenkung oder Erbschaft handelt –, kann dies der Bank im Vorfeld mitgeteilt werden. Das Kreditinstitut wird dann auf den Einbehalt von Steuern auf die Kursgewinne verzichten, muss jedoch das zuständige FA hierüber informieren. Diese Ausnahmesituation ergibt sich aus dem § 43 Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG. Darüber hinaus hat die neue depotführende Stelle dann bei einer späteren Veräußerung ggf. für diese Wertpapiere die sog. „Grandfathering“-Regelung zu beachten (§ 43a Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG). Hieraus ergeben sich grundsätzliche Probleme in der erbschaftsteuerlichen Beratungspraxis. Zur Vereinfachung wird dabei jeweils unterstellt, dass die erbschaftsteuerlichen Freibeträge bereits zuvor in voller Höhe ausgenutzt waren.

2. Bewertung von Wertpapiervermögen im Todeszeitpunkt

a) Die Meldung

Stichtag für die Bewertung des Vermögens ist beim Erbfall der Todestag des Erblassers. Nach § 33 ErbStG ist ein Kreditinstitut verpflichtet, eine Meldung ggü. dem FA abzugeben, aus der sich der Wert des verwalteten Vermögens, z.B. auch des Aktienvermögens, am Todestag ergibt. Nachfolgendes Beispiel möge die Problematik verdeutlichen.

Beispiel 1
Erblasser A hat am 30.12.2008 100 Aktien des Unternehmens X zum Preis von 1.000 € je Stück erworben. Am 2.1.2009 erwirbt der Erblasser wiederum 100 Aktien der gleichen Gattung wiederum zum Kurs von 1.000 € je Stück. Im August 2010 verstirbt der Erblasser und die Aktien haben einen Wert pro Stück von 2.000 €. Dies bedeutet, dass in seinem Depot jeweils 100 Aktien zu einem Kurs von je 2.000 € vorhanden sind, teils erworben nach den alten Regelungen, teils nach der der Abgeltungsteuer unterliegenden Rechtslage.

Hieraus folgt, dass bei einem Verkauf am Todestag die am 30.12.2008 erworbenen Aktien steuerfrei dem Nachlassvermögen zuzurechnen wären, während die Bank von den Aktien, die am 2.1.2009 erworben wurden, eine 25 %ige Abgeltungsteuer einbehält. Dies bedeutet, aus dem ersten Verkauf würden 200.000 € erzielt werden, aus dem anderen Verkauf allerdings nach Steuerabzug nur 175.000 €. Die Mitteilung der Bank nach § 33 ErbStG dürfte so lauten, dass in dem Bestand 200 Aktien zu einem Kurs von je 2.000 € vorhanden sind. Dies entspricht einem rechnerischen Wert von 400.000 €.

b) Abgeltungsteuer bewertungsrelevant?

Die Bewertung für die Erbschaftsteuer richtet sich nach dem Kurswert (§§ 12, 11 Abs. 1 BewG). Es stellt sich somit die Frage, inwieweit der Abgeltungsteuer – sei sie auch nur latent vorhanden – i.R.d. §§ 12, 11 BewG zukünftig Beachtung zu schenken ist.

Bei Anwendung des Bewertungsgesetzes im Wortlaut ergibt sich ein Betrag von 200.000 € für die Aktien, die am 2.1.2009 erworben wurden. Der Erwerber, somit der Erbe, würde aber tatsächlich nur einen realisierbaren Wert von 175.000 € erlangen. Der einbehaltene Betrag von 25.000 € stellt einen einkommensteuerrelevanten Vorgang beim Erben dar.

Der Erwerber muss somit i.S.d. ErbStG etwas versteuern, was ihm faktisch nie zufließen kann. Das Problem der Doppelbelastung mit Einkommenund Erbschaftsteuer ist nicht neu, betrifft aber über die neu eingeführte Abgeltungsteuer potentiell einen erheblich erweiterten Kreis von Steuerpflichtigen. Diese Problematik ist im ErbStG bzw. BewG nicht geregelt.

Einführung des § 35b EStG: Das Problem der faktischen Doppelbesteuerung der latenten Abgeltungsteuer mit Erbschaftsteuer (vgl. Huber/Reimer, DStR 2007, 2042 [2044 f.]) ist der Gesetzgeber vielmehr einkommensteuerrechtlich angegangen, indem er § 35b EStG – gültig ebenfalls seit Jahresanfang 2009 – eingeführt hat, dessen Satz 1 lautet:

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in Satz 2 bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes) die Freibeträge nach §§ 16 und 17 und der steuerfreie Betrag nach § 5 des Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetzes hinzugerechnet werden.

Fragliche Gesichtspunkte: Wird unter diese Regelung die Abgeltungsteuerproblematik zu subsumieren sein, stellt sich dennoch die Frage, ob es den Gerichten genügen wird, dass dieser Sachverhalt nicht auf der Ebene des Bewertungsrechts geregelt wurde. Fraglich ist auch, ob die Probleme der Bewertung bzw. Doppelbesteuerung (vgl. Huber/Reimer, DStR 2007, 2042 [2046]) unter faktischem Vorbehalt gelöst werden sollten. § 35b EStG beinhaltet nämlich:

• einen Antrag,
• eine zeitliche Befristung,
• eine regelmäßig lediglich begrenzte Anrechnung nach Satz 2.

Beraterhinweis: Schon aufgrund der nur zeitlich befristeten Anrechnungsmöglichkeit sollte über einen nach Eintritt des Erbfalles kurzfristigen Verkauf von nach dem 1.1.2009 erworbenen Wertpapieren mit abgeltungsteuerpflichtigen Kursgewinnen nachgedacht werden, um eine mögliche einkommensteuerliche Vergünstigung zu erlangen. Dies ist aber stets im Einzelfall zu prüfen. Auf das Antragserfordernis ist dabei zu achten.

3. Schenkung und Schenkungsteuer

Die Abgeltungsteuer wirkt sich aber nicht nur im Erbfall aus, sondern ist bereits im Rahmen lebzeitiger Vermögensübertragungen zu beachten. Dies zeigt nachfolgendes Beispiel.

Beispiel 2
Werden Wertpapiere, die nach dem 1.1.2009 gekauft wurden, an eine Person verschenkt mit einem Börsenwert von unterstellt 200.000 €, von denen Kursgewinne i.H.v. 100.000 € der Abgeltungsteuer unterliegen, so erhält diese Person nominell Werte i.H.v. 200.000 €. Sofern sie kurze Zeit nach der Schenkung diese Wertpapiere veräußert, realisiert diese Person einen Betrag von 175.000 €.

§ 35b EStG ist dem Wortlaut nach hier nicht anwendbar. Dies stellt eine Ungleichbehandlung ggü. der Situation beim Erwerb von Todes wegen dar. Hierbei ist nicht klar, warum der Schenker ggü. dem Erben benachteiligt wird; diese Tendenz findet sich auch in anderen Bereichen des ErbStG, z.B. in § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbSt hinsichtlich des Familienwohnheims.

4. Erbrechtlicher Kontext

Die vorstehend beschriebenen Auswirkungen der Abgeltungsteuer können neben dem erbschaftsteuerlichen Umfeld auch zu einer Vielzahl von erbrechtlichen Problemen führen, die dem Berater in der Gestaltungspraxis bewusst sein sollten:

a) Erbauseinandersetzung

Streitbehaftet werden z.B. abgeltungsteuerkonforme Anlagen i.R.d. Erbauseinandersetzung bei asymmetrischer Verteilung der Nachlasswerte sein, da i.R.d. Erbteilung zu klären ist, welcher Erbe welche Aktienpositionen erhalten soll. Insoweit wird von Bedeutung sein, ob die Wertpapiere abgeltungsteuerkonform, d.h., vor dem 1.1.2009 erworben wurden oder nicht. Dies hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die nachfolgende steuerliche Wertentwicklung des Investments. Hieraus ergibt sich ein wertbildender Faktor, der – so die Fragestellung – u.U. zu beziffern und ausgleichspflichtig wäre.

Zur Verdeutlichung in Abwandlung des Beispiels 1:

Beispiel 3
Angenommen, die jeweiligen Aktienpakete würden bei unterschiedlichen Banken gelagert und die Erben, zwei Geschwister A und B, erhalten jeweils das eine bzw. das andere Depotvermögen. Dies kann der Erblasser durch eine sog. Teilungsanordnung gem. § 2048 BGB im Testament angeordnet haben.

Hieraus folgt, dass Kind A tatsächlich einen Wert i.H.v. 200.000 € zur Verfügung hätte und Aktien auf sich überschreiben lassen könnte, die bei einer Realisierung nie der Abgeltungsteuer unterlägen, somit die Kursgewinne einkommensteuerfrei sein würden. Kind B hingegen erwürbe ein Aktienpaket, das mit einer latenten Steuerbelastung von mindestens 25 % auf den Kursgewinn belegt wäre. Kind A hätte demnach 200.000 € und Kind B 175.000 € zur Verfügung. Versteuern nach dem ErbStG müssten Kind A und Kind B allerdings jeweils 200.000 €. Dies würde bei B zum einen dazu führen, dass erbschaftsteuerlich ein Betrag i.H.v. 25.000 € latente Steuerbelastung zu versteuern wäre, hiervon jedoch ggf. nur einen Teil auf Antrag über § 35b EStG zurück erhielte, und zum zweiten dazu, dass beide Kinder einkommensteuerrechtlich unterschiedlich behandelt würden, also Kind A die Aktien dauerhaft ohne Nachteile behalten könnte, Kind B aber nicht.

Beraterhinweis: Hat der Berater den Erblasser auf die mögliche Folge dieser Besonderheit nicht hingewiesen, könnte dies in Zukunft als Pflichtverletzung zu Schadensersatzforderungen der Erben aus dem mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgestatteten Vertrag zwischen Erblasser und Berater führen.

b) Vorteile erbrechtlich ausgleichspflichtig?

Insoweit ist zu überlegen, ob Kind A i.H. des Mehr-Vermögens von ggf. 25.000 € ausgleichpflichtig wäre, somit 12.500 € an Kind B bezahlen müsste. Dann stellt sich weiterhin die Frage, ob diese Ausgleichspflicht nicht erbschaftsteuerlich zu einer Minimierung des zu versteuernden Wertes von 200.000 € führen müsste und damit doch nur 187.500 € je Kind zu versteuern wären. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass das FA bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer Kind B ohne weiteres einen solchen Abzug von 12.500 € gestatten wird; vielmehr wird das FA auf der Versteuerung von 200.000 € bestehen, da dies dem Wert entspricht, der nach § 33 ErbStG von der depotführenden Bank dem FA mitgeteilt wurde.

5. Pflichtteilsrecht

a) Auswirkungen der Abgeltungsteuer

Die Höhe des Pflichtteilsrechts bemisst sich grundsätzlich nach dem Wert des Nachlasses im Todeszeitpunkt (§ 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Auswirkungen der Abgeltungsteuer in diesem Zusammenhang verdeutlicht das nachfolgende Beispiel.

Beispiel 4
Unterstellen wir im oben genannten Beispiel, Kind B wäre auf das Pflichtteilsrecht gesetzt worden. Bei nur zwei Abkömmlingen entspräche der Wert des Pflichtteilsanspruchs der Höhe nach 25 % des Nachlasswertes (§§ 2303, 1924 ff. BGB). Im Nachlass befinden sich 200 Aktien einer Gattung mit einem Wert zum Todestag von jeweils 2.000 €, somit 400.000 €. Nach der Höhe des Pflichtteilsrechts von 25 % ergibt sich somit ein Anspruch auf Auszahlung in Barwerten i.H.v. 100.000 €. Dies wirft die Frage auf, ob Erbe A, dem als Alleinerbe ggf. nur 375.000 € zur Verfügung stehen, hiermit nicht Vermögenswerte zugerechnet werden, die er de facto gar nicht realisieren kann.

Diese Problematik verschärft sich noch für den Fall, dass die Aktien insgesamt der Abgeltungsteuer unterliegen – somit ein Betrag von nur 350.000 € bei Realisierung zur Verfügung stehen würde, der Nominalwert per Todestag allerdings 400.000 € ausweisen würde. Der Pflichtteilsberechtigte hätte einen Anspruch auf 100.000 € und der Erbe im Ergebnis nur noch 250.000 € zur Verfügung. Dies würde Sinn und Zweck der materiell-rechtlichen Regelungen des Erbrechts zuwiderlaufen.

b) Schenkung und Pflichtteilsausgleich

Auch hier ist fraglich, welcher Wert den Wertpapieren für einen etwaigen Ausgleich im Rahmen von Pflichtteilsund Pflichtteilsergänzungsansprüchen zugrunde zu legen ist – der nominal geschenkte Wert oder der tatsächlich zugeflossene geringere Gegenwert.

6. Haftung von Bevollmächtigten, Testamentsvollstreckern etc.

Weiterhin ergibt sich für über den Tod eines Erblassers hinaus Bevollmächtigte oder sonst nach dem Tode einer Person über deren Vermögenswerte ggf. Verfügungsberechtigte eine neue Haftungsproblematik.

Beispiel 5
Im Rahmen eines Nachlassfalles ist es gängige Praxis, dass bei Familien z.B. nur ein Kind gegenüber Finanzinstituten oder auch im Rahmen einer generellen Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus bevollmächtigt ist. Dann werden in einem Todesfall z.B. insbesondere Aktienpositionen unter Umständen verkauft, um eine Wertsicherung auf den Todestag zu erreichen. Durch einen Verkauf dieser Wertpapiere erlischt spätestens in diesem Zeitraum die steuerliche Privilegierung von Wertpapieren, die vor dem 1.1.2009 gekauft wurden.

Sollte einer der Miterben bzw. Vermächtnisnehmer hiermit nicht einverstanden sein, sondern vielmehr ein Interesse daran haben, die Wertpapiere mit dem einkommensteuerlichen Privileg zu behalten bzw. zu erhalten, stellt sich die Frage, ob dies im Einzelfall eine Schadensersatzpflicht begründet. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen steuerrechtlichen Zustandes ist schlichtweg unmöglich, da durch den Verkauf die steuerliche Privilegierung aufgelöst wurde.

Frühzeitige Kontaktaufnahme empfehlenswert: Diese Haftungsproblematik stellt sich ebenso für Testamentsvollstrecker oder evtl. auch steuerliche Berater, die im Rahmen ihrer Tätigkeit umfangreiche Vermögensdispositionen vornehmen bzw. begleiten (zu den erbschaftsteuerlichen Rechten und Pflichten eines Testamentsvollstreckers in der Praxis vgl. Tolksdorf/Simon, ErbStB 2008, 336 ff.; ErbStB 2008, 360 ff.). Hier wird in Zukunft ein Schwerpunkt auf der Kommunikation mit allen Beteiligten zu setzen sein. Es ist also i.R.d. Vermögensanlage frühzeitig mit den entsprechenden Erben bzw. Begünstigten Kontakt aufzunehmen, inwieweit sie genau die entsprechenden Papiere mit den noch vorhandenen Steuerprivilegien erhalten wollen. Insoweit tritt

  • neben die generelle Einschätzung der Vermögensanlage
  • auch die Einschätzung des Werts der steuerlichen Privilegierung.
    Eine Neuanlage im Rahmen eines Erbfalls kann nicht mehr einkommensteuerrechtlich privilegiert getätigt werden, da der Zeitpunkt vor dem 1.1.2009 schlichtweg unerreichbar ist. Insoweit kann im Einzelfall selbst ein zunächst weniger renditeträchtig prognostiziertes Investment lukrativer erscheinen als eventuell eine Anlage, die auf den ersten Blick eine bessere Perspektive hat. Im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung z.B. eines Testamentsvollstreckers wird dieser Umstand eine wesentlich gewichtigere Rolle einnehmen als bisher (zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung durch den Testamentsvollstrecker insgesamt vgl. Tolksdorf, ErbStB 2008, 54 ff.; ErbStB 2008, 86 ff.; ErbStB 2008, 118 ff. und ErbStB 2008, 144 ff. m.w.N.).
    Neues Spannungsfeld: Dies führt in jedem Fall zu einem neuen Spannungsfeld zwischen
  • schneller Handlungsweise und
  • einer Risiko-Chancen-Bewertung i.R.d. Verwaltung von Nachlasswerten.
    Wenn der Berater die entsprechenden Investments aufgrund der steuerlichen Privilegierung nicht veräußert, wird er sich – wie bisher – eventuell vorhalten lassen müssen, dass er sie besser veräußert hätte. Dies ist ein nicht auszuräumendes Problem. Auch hier stellt sich also im Ergebnis die Frage, wie hoch der Wert dieses Umstands der einkommensteuerlichen Privilegierung einzuschätzen ist.
    Beraterhinweis: I.R.d. Erbfolgeberatung wird in Zukunft dem Aspekt der einkommensteuerlichen Privilegierung deutlich Rechnung zu tragen sein. Es gilt genauer als bisher zu differenzieren, welche der beteiligten Personen welche Vermögenswerte bekommen sollen. Insoweit sollte der potentielle Erblasser sich Gedanken machen, welche Person welches Investment behalten wird. Bislang spielte das eine eher untergeordnete Rolle, da die Erben diese Vermögensdisposition ohne derartig einschneidende steuerliche Änderung treffen konnten. Unter dem Gesichtspunkt der Abgeltungsteuer wird hingegen eine wertbildende steuerliche Privilegierung verloren gehen, sofern die Erben sich vom vorhandenen Investment entgeltlich lösen.

7. Fazit

  • Wie ausgeführt, entsteht aus dem Zusammenspiel von Abgeltungsteuer und Erbschaftsteuer bzw. in der erbschaftsteuerlichen Beratung eine Vielzahl von Fragestellungen. Dieser gesamte Problembereich ist, trotz erheblicher praktischer Auswirkung ab dem Jahre 2009, noch wenig beleuchtet.
  • Für den spezialisierten Berater ergeben sich aber nicht nur Risiken, sondern auch nicht unbeträchtliche Chancen, sich in der praktischen Beratung vor bzw. im Rahmen von Erbfällen deutlich von der Konkurrenz abzuheben. Durch eine richtige Handhabung der bestehenden Problematiken können und müssen ggf. für die Mandanten im Nachlassfall enorme Vermögensvorteile gesichert werden. Die vorstehend aufgeworfenen Fragen sollten jeden Berater sensibilisieren und es ihm ermöglichen, haftungsrelevante Fallstricke zu erkennen und sich gezielt, ggf. nach Rücksprache mit dem zuständigen FA, in haftungsrechtlich vorteilhafter Weise zu positionieren.

Mehr zum Thema:

Liem/Bieling, Übertragung von Kapitalanlagen im Lichte der Abgeltungsteuer – Vermögensverwaltung optimieren, ErbStB 2008, 21 (in diesem Heft).

* Dr. Georg Tolksdorf ist Rechtsanwalt in Glückstadt. Ralph Seidler ist

Rechtsanwalt und Mediator in Berlin. Beide sind darüber hinaus als

Dozenten für das Private Finance Institute der €pean Business School,

Oestrich Winkel, tätig. Daniel Simon ist Partner der Steuerberatungsund

Rechtsanwaltskanzlei Simon & Partner GbR in Offenbach am Main.

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